Kräuter, Olitäten & Gewürze
Wo auf abgelegenen Bergwiesen noch Quendel, Augentrost, Bibernell, Ehrenpreis, Frauenmantel, Hirtentäschel, Johanniskraut und die Arnika, in den Flußauen der Schwarza die Pestwurz und in den feuchten Nebentälern die Waldengelwurz zu finden sind, wo auf saftigen Wiesen das Mädesüß seinen wunderbaren Duft verströmt, dort sind sie zu Hause – der Buckelapotheker und die Kräuterfrau. Als Symbolfiguren stehen sie für ein längst vergangenes Gewerbe, das nahezu 3-Jahrhunderte das Leben der Menschen im Schwarzatal, insbesondere aber auf den beiderseits des Mittellaufes der Schwarza ansteigenden Bergrücken des „Thüringer Schiefergebirges“ nachhaltig geprägt und bestimmt hat. Es ist das Gewerbe der Olitätenherstellung und der Vertrieb dieser „Thüringer Heil- und Hausmittel“ durch Balsamträger, Olitätenhändler und Buckelapotheker. Das Wort „Olitäten“ ist vom lateinischen „Oleum“ (Oel) abgeleitet und verweist auf die in den Heilmitteln enthaltenen ätherischen Öle.Mutter Natur hat selbst Hand angelegt und in der reizvollen Mittelgebirgslandschaft der Schwarzaregion eine große Fülle und Vielfalt an Heilpflanzen und Kräutern hervorgebracht. Ausschlaggebend waren dabei geologische Besonderheiten, wie die Beschaffenheit der Böden, ideale Gewässerbedingungen, spezifische klimatische Verhältnisse, die auf Grund der großen Höhenunterschiede im Schwarzagebiet sehr unterschiedlich sind, kultur-historische Entwicklungen, der Zerfall der Klöster nach der Einführung der Reformation auf dem Wald sowie die Präsenz wichtiger Handelsstraßen, die über die Höhen des Thüringer Waldes führten. Die wildwachsenden Kräuter der Bergwiesen, der Flußauen und der feuchten Täler entlang der Gebirgsbäche, aber auch mineralische Stoffe sowie die Reichtümer des Waldes wie Kusten, Beeren, Rinden, Wurzeln und Harze waren die Ausgangsstoffe zur Herstellung der Olitäten.
In verräucherten Laboratorien entstanden auf geheimnisvolle Weise Pflaster, Pillen, Pulver, Balsame, Tinkturen, Öle, Essenzen, Kräuterdestillate und wohlriechende Wässer.Mit vollgepacktem Reff (Holzgestell) auf dem Rücken zogen die Buckelapotheker aus, um die Thüringer Olitäten in fast allen mitteleuropäischen Ländern zu vertreiben. Obwohl das einst so bedeutsame Gewerbe heute keine wirtschaftliche Rolle mehr spielt, lebt die Olitätentradition weiter. Zahlreiche Initiativen und touristische Aktivitäten machen das „Olitätenland/Thüringer Kräutergarten“ für Wanderer, Naturfreunde und Gesundheitsbewusste interessant.
Besonders in der einstigen Hochburg Oberweißbach lebt die alte Tradition fort. Das Olitätenstübchen im Geburtshaus des großen Pädagogen und Begründers der Kindergärten, Friedrich Fröbel, legt dafür ein beeindruckendes Zeugnis ab. Im Dachgeschoß des altehrwürdigen Hauses finden nun schon seit 14 Jahren die „Fröbelstädter Kräuterseminare“ statt. Kräuterfans kommen aus nah und fern, um mit Buckelapotheker und Kräuterfrau auf Wanderschaft zu gehen, die einzigartige Heilpflanzenflora kennen zu lernen und sich mit den Heilkräften der einzelnen Pflanzen und ihren Anwendungsmöglichkeiten vertraut zu machen.